Was ist ein gesunder Boden?
Ein gesunder Boden besteht etwa zur Hälfte aus mineralischen Anteilen
wie Sand, Schluff und Ton und zu jeweils rund 20 Prozent aus Luft und Wasser.
Die restlichen 5 bis 10 Prozent sind Pflanzenwurzeln, Kleinstlebewesen und
Humus, der im Oberboden den Lebensraum und die Nahrungsquelle für
Regenwürmer, Asseln, Spinnen, Milben und Springschwänze sowie unzählige
Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Amöben etc.) bietet. In einer Handvoll
fruchtbarer Erde leben mehr Mikroorganismen als Menschen auf unserem
Planeten - pro Hektar sind es etwa 15 Tonnen Bodenlebewesen, was dem
Gewicht von 20 Kühen entspricht. Sie alle wandeln abgestorbene Pflanzenteile
in Humus um, der wiederum Nährstoffe und Wasser speichert und darüber
hinaus dem Boden eine stabile und gleichzeitig durchlässige Struktur verleiht.
Eine weitere wichtige Aufgabe von Humus ist die Speicherung des Kohlenstoffs
von im Boden verrottenden Pflanzen, den diese ursprünglich als CO2 aus
der Luft aufgenommen haben. Nach den Ozeanen ist Humus weltweit der
wichtigste Kohlenstoffspeicher; er enthält fast dreimal so viel Kohlenstoff wie
alle Lebewesen zusammen.
Was ist Terra Preta?
Zu einem Zeitpunkt, als immer klarer wurde, dass wir uns mehr und mehr
von einer nachhaltigen Bodenwirtschaft entfernen, tauchte vor gut dreißig
Jahren ganz unerwartet eine mögliche Lösung auf: Damals stießen Archäologen
bei ihren Ausgrabungen im Amazonasbecken, das für eine extrem
nährstoffarmen Böden bekannt ist, immer wieder auf kleine und größere
Flächen mit tiefschwarzer, äußerst fruchtbarer Erde, die von den Einheimischen
„Terra Preta do Indio“ genannt wurde (portugiesisch für „schwarze Erde der
Indianer“). Zum großen Erstaunen der Forscher betrug diese schwarze
Bodenschicht mit einem Humusgehalt von etwa 15 Prozent oft einen Meter
und mehr! Bald fand man heraus, dass Terra Preta nicht auf natürliche Weise
entstanden war, sondern von einer indianischen Hochkultur geschaffen wurde,
die vor rund 500 Jahren untergegangen ist. Weitere Recherchen ergaben, dass
die lang gehegte Annahme, im Amazonasbecken hätten aufgrund der schlechten
Böden schon immer nur wenig Menschen existieren können (heute sind es etwa
350.000), völlig falsch war: Tatsächlich lebten hier einst 5 bis 25 Millionen
Ureinwohner in großen Städten entlang des Amazonas, wie Funde von
Siedlungsresten belegen und wie es auch der erste spanische Eroberer
Francisco de Orellana (1511-1546) berichtet hatte. Eine derart große Anzahl
von Menschen hätte sich jedoch nicht ohne weiteres in einer solchen
Umgebung ansiedeln können, selbst wenn sie die heute gängige Technik der
Brandrodung angewendet hätten. Die Lösung dieses Rätsels konnte deshalb nur
in der Terra Preta liegen.
Auf der Suche nach dem Geheimnis dieser Wundererde entdeckte man, dass
die beiden wichtigsten Faktoren bei der Entstehung von Terra Preta Holzkohle
und fermentierte Biomasse sind. Diese Kombination ergab sich dadurch, dass
die einstige Bevölkerung ihren gesamten organischen Abfall einschließlich der
Fäkalien zusammen mit der Holzkohle, die beim Kochen entstand, und einigen
Tonscherben in großen Tontöpfen im Boden vergrub. Damit lösten die Indios
nicht nur auf sehr einfache und effiziente Weise ihr Abfallproblem, das im
feucht-heißen Klima des Amazonas ein ständiges Gesundheitsrisiko darstellt,
sondern hielten mit diesem Verfahren auch das Wasser sauber, was für ihr
Überleben ebenso wichtig war wie ein fruchtbarer Boden. Durch das Vergraben
wurden die Abfälle außerdem nicht einfach kompostiert, sondern unter
Luftabschluss fermentiert, um dann allmählich zu vererden – die Terra Preta
entstand, auf der die Menschen nun mithilfe eines ausgeklügelten Etagen-
Anbausystems ausreichend Früchte und Gemüse ernten konnten. So betrieben
die Indios eine nahezu verlustfreie Recycling-Wirtschaft - und das bereits vor
über 7000 Jahren, wie einzelne Funde belegen.
Eine weitere Überraschung für die Forscher war die Regenerationskraft dieser
Terra-Preta-Böden, deren enorme Fruchtbarkeit bis heute unverändert erhalten
geblieben ist und den Einheimischen auch jetzt noch mehrere Ernten pro Jahr
ermöglicht, und zwar ohne jegliches Düngen. Dazu kam ein weiteres Phänomen:
Trägt man die schwarze Erde bis auf einen Rest von etwa 20 Zentimeter ab,
erreicht sie ohne äußeres Zutun schon nach etwa zehn Jahren wieder ihre alte
Mächtigkeit. Angeregt durch die Funde am Amazonas entstand eine intensive
Forschungstätigkeit, um herauszufinden, ob und wie sich das System der Terra
Preta auf unsere Klima- und Bodenverhältnisse übertragen lässt. Inzwischen
belegen zahlreiche Anwendungen, dass eine nach den Prinzipien der Terra Preta
hergestellte Schwarzerde auch bei uns hervorragend geeignet ist, den Boden
nachhaltig und ohne Dünger aufzubauen und umfassend zu versorgen sowie
ausgelaugte Böden zu revitalisieren und wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Dabei hat sich in der Praxis ein breites Wirkungsspektrum herausgestellt:
Terra Preta fördert ein aktives Bodenleben; die Poren der Holzkohle bieten
dabei Schutz und Lebensraum für zahllose nützliche Mikroorganismen und Pilze.
Sie unterstützt den Humusaufbau und bleibt als Dauerhumus über
Jahrtausende stabil im Boden.
Sie ist ein hervorragender Wasser- und Nährstoffspeicher, denn
Holzkohle nimmt bis zum 5-fachen ihres Eigengewichts an Wasser und Nährstoffen auf.
Sie lockert verdichtete Böden bzw. gibt sandigen Böden Substanz.
Sie bindet große Mengen CO2 dauerhaft im Boden: Pro kg Holzkohle
werden zusätzlich bis zu 3 kg organischer Kohlenstoff als Bestandteil der Humusschicht gebunden.
Sie bindet Schadstoffe im Boden und macht sie dabei unwirksam.
Sie macht synthetischen Dünger überflüssig und kann übersäuerte
Böden wieder ins Gleichgewicht bringen.
Angesichts der außergewöhnlichen Eigenschaften der Schwarzerde ist es ein
Segen, dass jeder sie inzwischen mit den richtigen Zutaten ohne großen
Aufwand selbst herstellen und anwenden kann. Warum Holzkohle dabei eine so
wichtige Rolle spielt, erfahren Sie auf den nächsten Seiten. Im Zusammenhang
mit dem Boden wird inzwischen allerdings der Begriff Pflanzenkohle (oder
Biokohle bzw. Biochar) anstelle von Holzkohle verwendet, um sie von der meist
minderwertigen, weil schadstoffbelasteten Grillkohle abzugrenzen.