Wir Gartenfreunde in Mitteleuropa können uns glücklich schätzen:
Im Frühjahr bereiten wir die Beete vor, säen, pflanzen, kompostieren
und freuen uns im Sommer und Herbst über die Blumen und Früchte.
In der Regel müssen wir uns weder um Sonne und Regen sorgen noch
um die Qualität unseres Bodens. Dies alles scheint so selbstverständlich,
dass uns meist gar nicht bewusst wird, welche Bedeutung der Boden
eigentlich hat - dass er buchstäblich die Grundlage allen Lebens ist:
ohne ihn gäbe es weder Pflanzen noch Tiere noch Menschen.
Werfen wir allerdings einen Blick über den Zaun unserer Gartenoasen,
sieht es schon anders aus. Fast überall, wo es um die Lebensmittelproduktion
im großen Stil geht, werden seit Jahrzehnten, nicht zuletzt wegen des
wirtschaftlichen Drucks, Anbaumethoden eingesetzt, durch die sich der
Zustand der Böden dramatisch verschlechtert hat. So ist etwa in den letzten
100 Jahren weltweit rund die Hälfte des fruchtbaren Humusanteils im
Oberboden verloren gegangen. Der Humusanteil in unseren Böden liegt
heute in der Regel zwischen 1 und 2 Prozent, manchmal auch darunter;
wünschenswert wären aber wenigstens 5 Prozent. 45 Prozent aller Böden
in Europa haben durch die landwirtschaftliche Nutzung erheblich an
organischer Substanz verloren (sind degradiert). Entsprechend ist der
Vitalstoffgehalt von konventionell angebautem Obst und Gemüse vor allem
in den letzten 20 Jahren so stark zurückgegangen, dass sie heute weit weniger
gesundheitlichen Nutzen bringen als früher.
Diese alarmierende Entwicklung ist hauptsächlich auf die Methoden der
großindustriellen Landwirtwirtschaft zurückzuführen:
1. Wegen der Bodenverdichtung durch schwere Maschinen kann der Boden immer
weniger „atmen“ - ein stetig fortschreitender Prozess, der irgendwann nicht
mehr umkehrbar ist.
2. Die maschinelle Bodenbearbeitung bis in tiefe Schichten hinein schädigt das
Bodenleben und bringt es völlig aus dem Gleichgewicht. Dieser Effekt wird durch
die üblichen Monokulturen noch verstärkt.
3. Die meist unbedeckten Böden werden durch die Wind- und Wassererosion
buchstäblich weggeblasen bzw. weggespült. In unseren Breiten sind z.B. in der
Steiermark und in manchen Gegenden Norddeutschlands oder Niederbayerns
ein großer Teil der Ackerflächen durch Wasser- und Winderosion von akuter
Versteppung bedroht oder bereits „gekippt“ und damit unwiederbringlich verloren.
Dazu kommt der ständig wachsende Einsatz von (synthetischem) Mineraldünger
(NPK-Dünger) und Pestiziden. Seit 1945 hat sich der Verbrauch von Mineraldünger
versiebenfacht und der von Pestiziden vervierfacht, was einen Teufelskreis mit sich
bringt: Die meisten Böden in der westlichen Welt sind inzwischen so stark
überdüngt (vor allem mit Stickstoff) und dadurch extrem übersäuert, dass
der Einsatz der Mineraldünger immer weniger oder kaum noch Wirkung zeigt.
Gleichzeitig fehlen den Böden aber wichtige Spurenelemente, die zum Aufbau
von organischer Substanz nötig sind. Diese organische Substanz ist jedoch
erforderlich, um Mineraldünger überhaupt speichern und damit nutzbar machen
zu können. Die Folge ist, dass NPK-Dünger zum großen Teil ins Grundwasser
ausgewaschen wird bzw. der Stickstoffanteil in Form von Lachgas und Methan
in die Atmosphäre gelangt (Lachgas ist etwa 300mal klimaschädlicher und Methan
etwa 25mal klimaschädlicher als CO2). Auf diese Weise gehen rund zwei Drittel des
synthetischen Stickstoffs von vornherein verloren.
Im Widerspruch zum weltweit propagierten Klimaschutz gibt es bisher keine
internationalen Strategien oder gar verbindliche Regelungen, um diese fatale
Entwicklung zu stoppen. Jetzt könnte man fragen, warum. Angesichts der Sorge
um den Feinstaub in der Luft oder den zunehmenden CO2-Anstieg, die allgemeine
Klimaerwärmung und die wachsende Verschmutzung der Meere wären sie eigentlich
dringend geboten – immerhin hat die UNO das Jahr 2015 zum „Internationalen
Jahr des Bodens“ erklärt, um dieses brisante Thema zumindest etwas mehr ins
öffentliche Bewusstsein zu rücken. Allerdings verhindern die wirtschaftlichen
Zwänge der Landwirte, das enge Korsett der Subventionspolitik und die mächtige
Lobby der Düngemittelindustrie bisher grundlegende Veränderungen, die
dringend notwendig wären, um diese Entwicklung aufzuhalten.
Umdenken ist notwendig
Der Wiederaufbau und die Revitalisierung der Böden kann letztlich nur mit
organischem Material wie Mulch, Kompost oder Mist gelingen, weil die darin
enthaltenen Nährstoffe vom Boden und den Pflanzen wesentlich besser
verwertet werden. Damit könnte der Verbrauch an Mineraldünger deutlich gesenkt
werden oder sogar ganz entfallen. Dazu gehören allerdings noch begleitende
Maßnahmen, heute oft als „Klimafarming“ bezeichnet, die bereits weitgehend im
ökologischen Landbau umgesetzt werden, u.a.:
ganzjährige Bodenbedeckung (Mulchen, Gründüngung)
pflugloser Anbau und Direktsaat
Mischkulturen und Felderwechsel
weitgehendes Schließen der Stoffkreisläufe
Zum Glück gibt es inzwischen weltweit zahlreiche kleine und größere Projekte
und Initiativen, die an umfassenden konkreten Lösungen für eine Bodengesundung
arbeiten. Die wohl wichtigste Entdeckung ist dabei das Prinzip der Terra Preta,
denn es erfüllt in idealer Weise sämtliche Forderungen nach einem nachhaltigen
Umgang mit dem Boden. Worauf dieses Prinzip beruht, erfahren Sie im nächsten
Abschnitt „Gesunder Boden mit Terra Preta“.
Die problematische Situation der landwirtschaftlich genutzten Böden lässt sich
natürlich nicht mit dem Zustand unserer Gärten vergleichen. In Privatgärten
wird im Gegenteil manchmal zu viel des Guten getan und oft sind Gartenböden
sogar überdüngt. Hier ist der Einsatz von Terra Preta allerdings genauso sinnvoll,
denn dadurch erübrigt sich nicht nur der Dünger, sondern sie bringt auch das
Bodenleben wieder ins Gleichgewicht und sorgt für einen nachhaltigen Humusaufbau.
Ebenso gut eignet sie sich für Balkonkästen, Kübel- und Zimmerpflanzen, denn hier
wird nicht nur Dünger, sondern häufig auch Torferde verwendet, die dann alljährlich
entsorgt werden muss. Das alles ist mit Terra Preta nicht mehr nötig.
Tipp: Wer den Zustand seines Gartenbodens überprüfen möchte, sollte etwa alle
drei Jahre eine Bodenuntersuchung machen lassen.